Vereinsprojekt des Monats

Sport zwischen idyllischen Vorgärten

Engagierte Vorsitzende mit vielen Ideen bringt jungen Verein „Bewegt Leben e.V.“ in Schwung



Jetzt steht man hier „janz weit draußen“, wie der Berliner sagt, in Rahnsdorf und ist völlig irritiert. Rings um den Besuch aus Berlin-Mitte schmucke Reihenhäuser mit idyllischen Vorgärten, aber weit und breit nichts, was aussieht wie Turnhalle, Vereinsheim oder Trainingsraum. Falsche Adresse? Nee, Grasehorstweg 6, richtig. Und da fällt der Blick auf das unscheinbare Acrylschild an der Treppe mit der Aufschrift „Bewegt Leben e.V.“


Doch richtig. Melanie  Nitschke, Vorsitzende und gleichzeitig eine der Übungsleiterinnen im Verein „Bewegt Leben“, lacht: Sie hat wohl schon öfter erlebt, wie perplex Leute sind, wenn sie plötzlich im Keller des Wohnhauses stehen, der sich als schöner großer bunt gestrichener Trainingsraum entpuppt: Kleingeräte, ordentlich  sortiert, Steppbretter aufgereiht. Große Spiegel geben die Möglichkeit, Haltung und Bewegung auch selbst zu überprüfen und eine „Entspannungsbeleuchtung“, die nach dem eigentlichen Training eingeschaltet wird, lässt die Aktiven in sanftem Licht zur Ruhe kommen.


„Den Raum haben wir hier in Eigeninitiative gestaltet“, sagt die Vorsitzende. Da kam ihr gut zu pass, dass ihr Mann Roman, eine kleine Baufirma hat. Im November 2013 wurde der Verein gegründet – und im April 2014 eröffnete er feierlich die Trainingsräume. Ein eigener Verein - Melanie Nitschke hat ihren Traum verwirklicht.


Einige Jahre zuvor hatte die 42-Jährige schon als Übungsleiterin Erfahrung im Karateverein Semitsu gesammelt, aber sie merkte bald, dass sie mehr inhaltlich gestalten wollte. Anlass, selbst etwas auf die Beine zu stellen, war dann ein akutes Rückenleiden. „Ich war da in einem Kurs und merkte, wie die Beschwerden weniger wurden. Ich dachte:  Andere haben vielleicht auch solche Probleme. Warum sollte ich da nicht was tun?“ Gesagt, getan.


Dass Bedarf für Präventions- und Gesundheitssport, aber auch für Kindersport da ist, zeigten die vielen Anfragen. „Hier im Umfeld gibt es Vereine, aber die sind nahezu alle fachspezifisch orientiert.“ Neben dem Angebot ist vor allem das Zeitfenster für die Mitglieder interessant. Im Frühaufsteherkurs, wo es „Fitness kurz und knackig“ gibt, wie der Flyer verspricht, tummeln sich Menschen, die vor der Arbeit Sport treiben wollen. Wer nach einem Arbeitstag abschalten oder sich auspowern will, findet Kurse, die er oder sie ohne Eile nach Büroschluss erreichen kann. Dazwischen stehen die Kinder auf dem Stundenplan, die mit altersgerechten Bewegungsprogrammen bespaßt und trainiert werden. Auch an Ganztagsschulzeiten und Hausaufgaben wurde dabei gedacht.


Hört sich alles super an. Ist auch eigentlich alles so, aber... „Wir haben mittlerweile zu wenig Platz. Und deshalb eine Warteliste“ bedauert Nitschke, die mit ihrer Kollegin Claudia Grubert schon jetzt überbeschäftigt ist. Auch Melanie Nitschke musste die Erfahrung machen, dass neue Vereine im Kampf um die knappen Hallenkapazitäten ganz hinten auf der Liste stehen. „Ich habe mich ziemlich aufgeregt. Das war ein schwerer Kampf auf dem Bezirksamt, um Stunden zu bekommen. Aber : Hast Du keinen Platz, kannst Du keine neuen Mitglieder aufnehmen, hast Du zu wenig Mitglieder, kriegst Du keinen Platz.“


Sie hat aber nun doch Stunden bekommen. Da eine neue Halle gebaut wurde, war dann doch Kapazität frei.


Eine Hürde weniger. Das nächste Hindernis: Im alteingesessenen Vereinsverbund müssen sich die Neuen erst einmal einen Platz erkämpfen. „Da ist immer noch mehr Konkurrenzdenken als Solidarität“, sagt Nitschke, was sie aber nicht weiter beunruhigt. Sie und ihre Mitstreiterin  wollen durch Qualität überzeugen.„Wir haben da selbst einen hohen Anspruch“ sagen beide. Die Kurs-Teilnehmer  müssen sie nicht mehr überzeugen.


Neben den Trainingsstunden wird auch an „Vereinsleben“, guter Nachbarschaft und Kooperationen gebastelt. Ein so junger Verein muss erst mal seine sozialen Strukturen knüpfen, eine Art „kommunikative Bewegung“. Eine Reihe von Mitgliedern kommt auch, weil sie einsam sind. Beim Walken lernt man sich kennen, findet neue Gesprächspartner und ist plötzlich mittendrin im (Vereins-) Leben, „das wir aber noch ein bisschen gestalten müssen“, sagt Nitschke. Weihnachtsfeier, besondere Tanzveranstaltungen oder ein Trainingswochenende sind schon mal ein guter Anfang.


Ideen haben die beiden quirligen Übungsleiterinnen zur Genüge, man möchte fast sagen: „Cool down, meine Damen, langsam.“ Machen das eigentlich die Nachbarn mit, so in der stillen Idylle? „Die sind wunderbar, und tragen es auch mit“, freut sich die Vorsitzende. Grund zur Klage hat das Umfeld auch kaum. Die meisten Mitglieder  kommen mit dem Fahrrad oder zu Fuß, „die wohnen ja um die Ecke. Und die Musik ist auch kein Problem.“


Wenn sie nun die Hallenzeiten haben, wird der Verein schon um die 100 Mitglieder haben. „Mit den Beiträgen und der Förderung durch den Landessportbund kommen wir soweit zurecht“, sagt Nitschke. Natürlich wären auch Sponsoren willkommen. Aber auch Melanie Nitschke hat nur 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Deshalb: Eins nach dem anderen. „Janz weit draußen“ geht es trotz aller Motivation doch etwas gemächlicher zu.

Von Bianka Schreiber-Rietig