Notvorstand
Ist der Verein ohne Vorstand oder fehlen beim mehrgliedrigen Vorstand einzelne Vorstandsmitglieder, so dass der Verein nicht mehr handlungsfähig ist, kann in dringenden Fällen und bestimmter Ausweglosigkeit die Bestellung eines Notvorstandes beim Amtsgericht beantragt werden.
Wann macht sich die Bestellung eines Notvorstandes erforderlich?
- Wenn ein oder mehrere nach der Satzung für wirksame Beschlussfassungen oder die Vertretung nach außen erforderliche Vorstandsmitglieder infolge Todes, Geschäftsunfähigkeit, Absetzung, Rücktritt, Amtsablauf, längerer schwerer Krankheit oder längerer Abwesenheit an der Amtsausübung gehindert sind. Fehlt dadurch die erforderliche Anzahl von Vorstandsmitgliedern, die lt. § 26 BGB berechtigt sind, den Verein nach außen zu vertreten, ist der Verein handlungsunfähig.
- Wenn eine auf § 34 BGB (Stimmrechtsausschluss) oder § 181 BGB (In-sich-Geschäft) beruhende Verhinderung im Einzelfall vorliegt.
- Wenn sich der Vorstand grundsätzlich weigert, die Geschäftsführung des Vereins wahrzunehmen bzw. fortzuführen.
- Zur Anmeldung einer bereits beschlossenen Satzungsänderung, die dringend wirksam werden soll.
- Wenn ein Gläubiger den Verein verklagen will.
- Wenn ein längere Zeit ruhender Verein keinen Vorstand mehr hat aber wieder aktiviert werden soll. Dieses Phänomen betraf viele Vereine während der DDR-Zeit. Sie waren zwar noch im Vereinsregister eingetragen, durften die Vereinstätigkeit im Sinne des BGB aber nicht ausüben. Nach der Wende wurden diese Vereine dann mit Hilfe von Notvorständen wieder zum Leben erweckt.
Die Bestellung eines Notvorstandes kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Vorstand sich z.B. weigert, in einer bestimmten Angelegenheit tätig zu werden, oder wenn zwischen den Vorstandsmitgliedern Differenzen bestehen. Hier muss sich der Verein durch seine eigenen satzungsmäßigen Mittel, meist mit Beschlüssen der Mitgliederversammlung, selbst helfen. Das gilt auch, wenn ein Vorstand wegen Unfähigkeit abgesetzt werden soll. Das ist nicht Aufgabe des Gerichtes sondern liegt im Zuständigkeitsbereich des entsprechenden Vereinsorgans.
Die Notwendigkeit, eine Mitgliederversammlung einzuberufen, rechtfertigt die Anwendung des § 39 BGB nicht, wenn noch ein eingetragener Vorstand vorhanden ist. Dieser kann nach neuerer Rechtsprechung auch nach Beendigung seines Amtes, sofern die Eintragung im Amtsgericht noch nicht gelöscht wurde, die Mitgliederversammlung einberufen. Die Bestellung eines Notvorstandes wäre aber dann erforderlich, wenn sich die noch eingetragenen Vorstandsmitglieder weigern oder verhindert sind, eine Mitgliederversammlung einzuberufen.
Das Verfahren zur Bestellung eines Notvorstandes
Zuständig ist das Amtsgericht, dort wo der Verein seinen Sitz hat.
Notwendig ist der Antrag eines Beteiligten. Das ist jeder, dessen Rechte oder Pflichten durch die Bestellung unmittelbar beeinflusst werden. Antragsberechtigt sind daher jedes Vereinsmitglied, jedes Vorstandsmitglied, die Gläubiger des Vereins und die vom Verein Verklagten. Der Antrag bedarf keiner besonderen Form. Ist ein Antrag mit Sicherheit von keinem Beteiligten zu erwarten, kann auch von Amts wegen ein Notvorstand bestellt werden.
Die Auswahl des Notvorstandes ist Sache des Gerichts. Es kann Vorschläge des Antragstellers berücksichtigen, braucht dies aber nicht. Schreibt die Satzung für den Vorstand eine bestimmte Qualifikation vor, muss diese auch vom Notvorstand erfüllt werden. Stehen sich bei einem Streit im Verein zwei rivalisierende Gruppen gegenüber, wird das Gericht darauf bedacht sein, einen neutralen Notvorstand zu bestellen.
Die Bestellung entfaltet nach heutiger Meinung ihre Wirkung gem. § 16 FGG mit der Bekanntgabe an den Bestellten. Außerdem muss der Bestellte das Amt annehmen. Die Annahme braucht aber nicht ausdrücklich erklärt zu werden, sie kann sich auch daraus ergeben, dass der Bestellte die Amtstätigkeit aufnimmt. Gegen die Bestellung eines Notvorstandes kann neben dem Verein nur jedes Vereins- und jedes Vorstandsmitglied Rechtsmittel einlegen.
Die Rechtsstellung des Notvorstandes
Die Bestellung gibt dem Notvorstand die volle Rechtsstellung des fehlenden Vorstandes oder Vorstandsmitglieds.
Die Bestellung bewirkt aber nicht deren Ausscheiden aus ihren Ämtern.
Der Bestellungsbeschluss kann die Vertretungsmacht beschränken z.B. lediglich auf die Einberufung und Leitung einer Mitgliederversammlung. Der Notvorstand kann auch nur für eine bestimmte Zeit bestellt werden.
Nach herrschender Meinung genügt bei vollständigem Wegfall eines mehrgliedrigen Vorstandes mit Gesamtvertretungsmacht die Bestellung einer einzigen Person als "Notvorstand". Dieser ist dann alleinvertretungsberechtigt.
Die Aufgaben des Notvorstandes gehen, wenn der Bestellungsbeschluss die Vertretungsmacht nicht ausdrücklich beschränkt, nicht weiter, als das nach Art und Dringlichkeit erforderlich ist.
Der Notvorstand, der zur Einladung/Durchführung einer Mitgliederversammlung bestellt ist, die das Ziel hat, einen neuen Vorstand zu wählen, muss auf dieser Mitgliederversammlung nicht (auch) eine Satzungsänderung behandeln (lassen). Das kann dann der neu gewählte Vorstand in einer nächsten Sitzung machen.
Ist im Bestellungsbeschluss die Amtsdauer nicht befristet, endet sie von selbst mit dem Wegfall des Bestellungsgrundes, also in der Regel mit der Wahl eines Vorstandes bzw. Vorstandsmitglieds durch das zuständige Vereinsorgan. War die Amtsdauer befristet, so endet die Amtszeit des Notvorstandes mit Zeitablauf auch dann, wenn der Bestellungsgrund noch nicht weggefallen ist. Es kann eine Verlängerung des Amtes durch das Gericht in Betracht kommen.
Ein Notvorstand kann, wie jeder "normale" Vorstand, sein Amt auch niederlegen.
Zur erneuten Bestellung eines Notvorstandes ist dann ein neuer Antrag erforderlich. Das Gericht kann den Notvorstand auf Antrag, aber auch von Amts wegen, abberufen, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. In Betracht kommt hier insbesondere die Nichterfüllung des Auftrags innerhalb einer angemessenen oder festgesetzten Zeit.
Vergütung des Notvorstandes
Der Notvorstand hat keinen Vergütungsanspruch gegen den Staat oder den Antragsteller, sondern gem. § 612 BGB nur gegen den Verein. Dieser Anspruch besteht immer dann, wenn die Mitglieder des Notvorstandes nicht Mitglied des Vereins sind oder wenn der Vorstand nach der Satzung Anspruch auf Vergütung (nicht nur auf Ersatz seiner Aufwendungen) hat.
Kein Vergütungsanspruch, sondern nur ein Aufwendungsersatzanspruch nach § 670 BGB besteht, wenn es sich um eine ehrenamtliche Tätigkeit handelt, z.B. wenn sich ein Vereinsmitglied bereit erklärt, ein ehrenamtliches Vorstandsamt als Notvorstand zu übernehmen. Das gilt aber nicht, wenn das Gericht einen Notvorstand bestellt, der lediglich aufgrund seines Berufes bereit ist, die Bestellung anzunehmen, z. B. Rechtsanwalt, Steuerberater, Buchhalter.
Einigen sich die Beteiligten nicht über die Vergütung, kann das (Prozess-)Gericht sie festsetzen.