Insolvenzverfahren

In Zeiten radikaler Streichungen, Sparmaßnahmen und verspäteter Zahlungen durch Geldgeber geraten immer mehr Vereine in eine bedrohliche finanzielle Situation. Um für den schlimmsten Fall gerüstet zu sein, ist es für Vereine wichtig, die gesetzlichen Grundlagen eines dann anstehenden Insolvenzverfahrens zu kennen.

Neben den grundsätzlichen Pflichten, einen Haushaltsplan zu erstellen, für eine ordnungsgemäße Buchhaltung zu sorgen und Rechenschaft gegenüber der Mitgliederversammlung abzulegen, ergibt sich aus dem Gesetz unmittelbar für den Vorstand die Verpflichtung, rechtzeitig – d.h. wenn ein Insolvenzgrund vorhanden ist – Insolvenzantrag zu stellen.

Wann ist ein Insolvenzgrund gegeben?

Mit Insolvenzgrund bezeichnet man die finanzielle Verfassung, in der sich der potentielle Schuldner (in unserem Fall der Verein, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet werden soll) befinden muss, damit eine Eröffnung erfolgen kann. Als Gründe kommen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung des Vereins in Betracht (§ 42 Abs. 2 Satz 1 BGB).

Zahlungsunfähigkeit

Nach § 17 Abs. 2 der Insolvenzordnung, ist unter folgender Voraussetzung Zahlungsunfähigkeit gegeben:

"Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat."

Ein Schuldner, sprich in unserem Falle der Verein selbst, kann ebenfalls unter der Voraussetzung drohender Zahlungsunfähigkeit Insolvenz anmelden: "Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen" (§ 18 Abs. 2 Insolvenzordnung).

Nach § 18 Abs. 3 Insolvenzordnung gilt ergänzend:

"Wird bei einer juristischen Person oder einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit der Antrag nicht von allen Mitgliedern des Vertretungsorgans, allen persönlich haftenden Gesellschaftern oder allen Abwicklern gestellt, so ist Absatz 1 nur anzuwenden, wenn der oder die Antragsteller zur Vertretung der juristischen Person oder der Gesellschaft berechtigt sind".

Überschuldung

Ein weiterer Insolvenzgrund neben der Zahlungsunfähigkeit ist die rechtliche Überschuldung des Vereins nach § 19 Insolvenzordnung: »Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist.« Unter Vermögen sind die Aktiva der Bilanz zu verstehen, z.B. Fahrzeuge, Immobilien, Betriebs- und Geschäftsausstattung, Forderungen, Bank- und Kassenbestände.

Was ist zu beachten?

Im Fall der Überschuldung und der Zahlungsunfähigkeit ist der Vorstand den Gläubigern gegenüber verpflichtet, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu beantragen (§ 42 Abs. 2 BGB), und zwar bei dem Amtsgericht des Vereinssitzes, dies erfolgt durch einen formlosen Antrag. Die Vorstandsmitglieder sind für den Fall einer schuldhaften Verzögerung des Antrags den Gläubigern für den daraus entstandenen Schaden als Gesamtschuldner verantwortlich, und zwar auch den Gläubigern, die nach Eintritt der Überschuldung hinzugekommen sind. Das heißt, in den Fällen einer schuldhaften Verzögerung haften die Vorstände mit ihrem Privatvermögen. Gesamtschuldnerische Haftung heißt, dass, falls ein Vorstandsmitglied nicht in der Lage ist, seinen Anteil des Schadens zu begleichen, der restliche Vorstand auch für diesen Teil haftet.

Dies gilt natürlich nicht für die Vorstandsmitglieder, denen notwendige Informationen vorenthalten wurden, wenn der Schatzmeister z.B. wissentlich oder aus Dummheit falsche Zahlen vorlegt. Geraten mehrere Vorstandsmitglieder in die Haftung, können die Gläubiger wahlweise gegen einzelne oder alle vorgehen. Der Schaden muss dann intern zwischen den haftenden Vorstandsmitgliedern aufgeteilt werden. Im Zweifel, wenn also alle gleichermaßen die Insolvenzanmeldung unter Kenntnis der "roten Zahlen" hinausgezögert haben, wird die Schadenssumme nach Köpfen zu verteilen sein.

Der Vorstand muss bei der Beantragung der Insolvenz eine Vermögensübersicht sowie eine Aufstellung der Gläubiger und Schuldner vorlegen.

Neben dem sog. Gemeinschuldner (Verein) kann gleichfalls jeder Gläubiger einen Insolvenzantrag stellen. Der Gläubiger muss dabei seine Forderung und die Zahlungsunfähigkeit des Vereins glaubhaft machen, z.B. durch ein sog. "Fruchtlosigkeitszeugnis" eines Gerichtsvollziehers.

Was sind die Folgen?

Wenn der Antrag zur Insolvenzeröffnung gestellt worden ist, nach Prüfung des Sachverhalts ein entsprechender Insolvenzgrund vorliegt und der Richter den Eröffnungsbeschluss zum Insolvenzverfahren unterschrieben hat, ergeben sich erhebliche Folgen:

Rechtsfähigkeit

Durch Insolvenz geht die Rechtsfähigkeit verloren, und zwar mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens (§ 42 Abs. 1 BGB). Der Verlust der Rechtsfähigkeit bedeutet, dass der eingetragene Verein nicht mehr als juristische Person agieren kann (vgl. S.11f.). Der Verlust der Rechtsfähigkeit hat außerdem die Auflösung des Vereins zur Folge. Die Auflösung (Liquidation) findet auch dann statt, wenn der Insolvenzantrag mangels Masse (mangels Vereinsvermögen) abgelehnt wurde.

Trotz des Verfahrens bleiben alle Vereinsorgane, insbesondere der Vorstand und die Mitgliederversammlung bestehen. Das Verwaltungs- und Verfügungsrecht über das vom Insolvenz erfasste Vereinsvermögen steht jedoch dem Insolvenzverwalter zu. Der Vorstand ist außerdem verpflichtet, dem Insolvenzverwalter und dem Gläubigerausschuss Auskunft, z.B. über die Insolvenzgründe, zu geben. Die Vereinsorgane existieren also weiter, dürfen aber keine vermögensrelevanten Entscheidungen mehr treffen.

Dennoch darf der Vorstand noch anstehende laufende Zahlungen leisten. Er unterliegt nämlich - anders als im Gesellschaftsrecht (z.B. GmbH-Recht) - keinem Zahlungsverbot nach Eintritt der Insolvenzreife.
BGH, Beschluss v. 8.2.2010, Az.: II ZR 54/09

Schadensersatzpflicht

Besonders wichtig ist es, so früh wie nur irgend möglich zu erkennen, wann dem Verein eine Insolvenz droht. Grundsätzlich kann der Vorstand – im Gegensatz zum Geschäftsführer eines Wirtschaftsbetriebes – mit festen Größen für einen bestimmten Zeitraum kalkulieren. Ein intaktes Rechnungswesen, eine gründliche Finanzplanung und die regelmäßige Überprüfung der veranschlagten Kosten helfen dem Vorstand, eine Überschuldung des Vereins rechtzeitig zu erkennen. Das ist insofern wichtig, als eine Verzögerung der Antragstellung eine Schadensersatzpflicht derjenigen Mitglieder des Vorstands begründet, die daran ein Verschulden tragen.

Haftungsausschluss:  Die Inhalte unserer Seiten wurden mit größter Sorgfalt erstellt. Da sich Gesetze und Vorschriften oft kurzfristig ändern, kann der Landessportbund Berlin für die Richtigkeit, Vollständigkeit und Aktualität der Inhalte dennoch keine Gewähr übernehmen.

Zurück zur Übersicht